Sie befinden sich hier:
Empowerment für Diversität
Dieses Projekt stärkt Kompetenzen und Strukturen für Diversitätsgerechtigkeit und Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung. Es wird durch die Stiftung Mercator Mercator gefördert und ist an der Charité Universitätsmedizin für den Zeitraum 2022-2026 angesiedelt. Am 16. März 2023, 15:00 – 17:00 Uhr, fand unsere Auftaktveranstaltung (Online) statt. Wir bedanken uns für die zahlreiche Teilnahme.
Wenn Sie aktuelle Infos zum Projekt und unseren Newsletter erhalten wollen, füllen Sie bitte das Kontaktformular unten auf der Website aus.
- Empowerment für Diversität
- Vorgesehene Dauer des Projektes und institutionelle Anbindung
- Worum geht es?
- Maßnahmen und Ziele des Projekts
- Forschungsergebnisse / Hintergrundinfos
- Team
- Auftaktveranstaltung | Empowerment für Diversität | 16.03.2023
- VIDEO: Auftaktveranstaltung "Empowerment für Diversität" am 16.03.2023
- Das Projekt wird gefördert durch
- Anmeldung zum Newsletter
Vorgesehene Dauer des Projektes und institutionelle Anbindung
Das Projekt Empowerment für Diversität – Allianz für Chancengerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung ist seit Oktober 2022 an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Gynäkologie, Campus Virchow Klinikum, angesiedelt. Es hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Das Projektteam besteht aus sechs Mitarbeiter:innen und der Projektleitung.
Worum geht es?
Das Projekt Empowerment für Diversität – Allianz für Chancengerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung verfolgt das Ziel, die ungleiche Verteilung von Gesundheitschancen, inadäquate Gesundheitsversorgung, Krankheits- und Mortalitätsrisiken in unserer Gesellschaft und deren strukturellen Charakter im Gesundheitswesen zu adressieren. Es beabsichtigt, nachhaltig wirksame Strategien und Instrumente zu ihrer Beseitigung umzusetzen.
Das Projekt ist handlungsbezogen und legt den Fokus auf Diversitätsgerechtigkeit, Chancengleichheit und Antidiskriminierung für Menschen mit Migrations- bzw. Fluchtgeschichte sowie für BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) und verfolgt dabei einen intersektionalen Ansatz.
Denn intersektionale Wechselwirkungen beispielsweise zwischen Alter, Bildungsstad, Geschlecht und Migrationsgeschichte können sich auf den Grad individueller Teilhabechancen, Diskriminierungsrisiken und auf das Ausmaß der Versorgungsqualität im Gesundheitswesen auswirken.
Hintergrund
Migration, Flucht und Niederlassung von Menschen aus unterschiedlichen Ländern haben die Bevölkerung in Deutschland geprägt. Wie in anderen Einwanderungsländern ist unsere Gesellschaft durch ethnische, nationale, kulturelle, sprachliche und religiöse Vielfalt gekennzeichnet, die sich in der Gesundheitsversorgung sowohl bei den Patient:innen als auch beim Gesundheitspersonal widerspiegelt.
Migration hat eine globale Dimension angenommen und es ist davon auszugehen, dass sich die derzeitigen Migrationstrends wie Fluchtmigration, Arbeitsmigration, Fachkräfteanwerbung, Familienzusammenführung und irreguläre Migration weiter fortsetzen.
Hinzu kommt der gesellschaftliche Trend zu sich immer stärker diversifizierenden sozialen Lebenslagen. Verschiedene Analysen zum Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Einkommen und Gesundheit zeigen, dass in Deutschland Frauen und Männer, deren Einkommen unterhalb der Grenze des Armutsrisikos liegt, eine deutliche geringere Lebenserwartung haben.
Der aktuelle Bericht zu Lebenslagen in Deutschland (BMAS 2021:374) weist darauf hin, dass die körperliche und die seelische Gesundheit einen wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeiten einer Person haben, ihr Leben zu gestalten, am Arbeitsmarkt teilzunehmen, sich zu bilden und am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilzuhaben.
Somit bildet Gesundheit die Basis für gesellschaftliche Teilhabe und Zusammenhalt.
Dies bedeutet auch, dass Medizin und das Gesundheitssystem die Gesellschaft und deren Entwicklung stark beeinflussen kann.
Das Gesundheitssystem in Deutschland hat den klar definierten Versorgungsauftrag für alle Mitglieder der Gesellschaft.
Je nachdem, wie responsiv die Versorgungseinrichtungen und das Gesundheitspersonal auf unterschiedliche Bedürfnisse und Versorgungsbedarfe einer diversen Bevölkerung eingestellt sind, können die Gesundheitschancen gesellschaftlich benachteiligter Menschen verbessert oder aber weiter beeinträchtigt werden.
Daher sind diversitäts- und zukunftsgerechte Strukturen und Kompetenzen notwendig, um den Zugang zur Gesundheitsversorgung, gute Aufklärung und Information sowie eine gleich gute Qualität der Versorgung für Alle zu ermöglichen.
Maßnahmen und Ziele des Projekts
Das Projekt Empowerment für Diversität – Allianz für Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung ergreift Maßnahmen, um diskriminierende Strukturen in der Gesundheitsversorgungspraxis diversitätsgerechter zu machen, das institutionelle Diskriminierungsrisiko zu verringern und für mehr Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung zu sorgen.
Gleichzeitig müssen Maßnahmen für den Ausbau und die Weiterentwicklung von Diversitätssensibilität in der Aus-, Fort- und Weiterbildung des Gesundheitspersonals umgesetzt werden, damit die Gesundheitsfachkräfte auf die Diversität ihrer Patient:innen und damit verbundenen Anforderungen vorbereitet sind.
Gemeinsam mit engagierten Kooperationspartner:innen aus der Praxis werden in Berlin und weiteren Bundesländern koordinierte Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierungsrisiken und Rassismus sowie zur Stärkung von Diversitätskompetenzen im Gesundheitswesen entwickelt und erprobt.
Dabei verfolgen wir 5 Kernziele:
Ziel 1: Partizipativ angelegte Organisationsentwicklungsprozesse in kooperierenden Gesundheitsversorgungseinrichtungen
In 7 unterschiedlichen kooperierenden Kliniken werden diskriminierende Strukturen identifiziert und exkludierenden Strukturen und Praktiken wirksam entgegengewirkt.
In partizipativen Organisationsentwicklungsprozessen werden passgenaue Instrumente und Maßnahmen entwickelt und nachhaltig verankert, die Chancengleichheit, Diversitätsgerechtigkeit und das Recht auf Gesundheit für Alle ermöglichen (z.B. durch Installation verlässlicher Sprachmittlungssysteme, Einführung diversitätsgerechter Versorgungsangebote und Strategien gegen Diskriminierung und Rassismus in alltäglichen institutionellen Strukturen und beruflichen Routinen).
Somit sollen an verschiedenen Orten Deutschlands Beispiele guter Praxis aufgebaut werden, die nachhaltig auf politischer und institutioneller Ebene wirken, um größere, flächendeckende Veränderungsprozesse im deutschen Gesundheitswesen anzustoßen.
Ziel 2: Kompetenzen und Haltungen für Diversitätsgerechtigkeit durch Aus-, Fort- und Weiterbildung stärken
Hier werden wir interpersonaler Diskriminierung zwischen Gesundheitsfachkräften und Patient:innen bzw. Nutzer:innen sowie innerhalb des Gesundheitsfachpersonals durch Qualifizierung und Entwicklung von Kompetenzen, Wissen und entsprechender Haltung im Umgang mit Diversität entgegenwirken. Das Ziel wird umgesetzt durch systematischen Ausbau und (Weiter)entwicklung von Inhalten zur Stärkung von Diversitätskompetenzen im Medizinstudium, in den Gesundheitsstudiengängen und Sozialer Arbeit, in den Ausbildungen von Gesundheitsfachberufen sowie in der beruflichen Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen. Dies geschieht in Zusammenarbeit und in maßgeblicher Beteiligung von entsprechenden (Aus-)bildungsinstitutionen und Akteur:innen.
Ziel 3: Etablierung einer bundesweiten Allianz wichtiger Akteur:innen und Institutionen
Unser Projekt will eine nachhaltige interprofessionelle und interdisziplinäre bundesweite Allianz von Akteur:innen, Institutionen und politischen Entscheidungsträger:innen aufbauen zur dauerhaften Stärkung von Kompetenzen und Strukturen für Diversitätsgerechtigkeit und Chancengleichheit sowie gegen Diskriminierung in der Gesundheitsversorgung in Deutschland.
Diese Allianz soll dauerhaft die Kräfte aus Politik, Gesundheitsversorgung und Gesundheitsbildung sowie aus der Wissenschaft bündeln, die bisher unverbunden und fragmentiert nebeneinander arbeiten.
Ziel 4: Durch Öffentlichkeitsarbeit Diskriminierungsrisiken in der Gesundheitsversorgung und gesellschaftliche Chancen von Diversitätsgerechtigkeit sichtbar machen
Öffentlichkeitsarbeit ist ein wesentliches Instrument, damit unser Projekt eine gesamtgesellschaftliche Wirkung erreicht. Es geht darum, flächendeckende Prozesse für Diversitätsgerechtigkeit im Gesundheitswesen zu initiieren.
Hier gilt es, die Bevölkerung wie auch gesellschaftspolitische Entscheider:innen für Rassismus- und Diskriminierungsrisiken in der Gesundheitsversorgung zu sensibilisieren und gleichzeitig die Potenziale und Chancen einer Gesundheitsversorgung aufzuzeigen, die der Verschiedenheit der Bevölkerung gerecht wird. Die Öffentlichkeitsarbeit adressiert außerdem gezielt politische Akteur:innen wie gesundheitspolitische Sprecher:innen von Parteien oder Vertreter:innen von Bundesministerien und politischen Arbeitskreisen und betreibt hier Lobbying.
Ziel 5: Begleitforschung
Zu den Maßnahmen im Bereich Ziel 1 und Ziel 2 führen wir Begleitforschung mit dem Ziel der Qualitätskontrolle und Auswertung durch.
Forschungsergebnisse / Hintergrundinfos
Aus der Forschung der letzten zwei Jahrzehnte zu den Zusammenhängen zwischen Migration und Gesundheit und zu sozialen Determinanten von Gesundheit wissen wir, dass sich Faktoren der gesellschaftlichen Exklusion auf die Gesundheit auswirken und in der Gesundheitsversorgung widerspiegeln.
Viele Studien konnten zeigen, dass bei Menschen mit Migrations- und Fluchtge-schichte in Deutschland verschiedene Zugangsbarrieren in der Gesundheitsversorgung wirksam sind, durch die sie Gesundheitsangebote weniger in Anspruch nehmen, eine schlechtere Versorgungsqualität erhalten und insgesamt schlechtere Gesundheitschancen haben als Menschen ohne Migrations- bzw. Fluchtgeschichte. Besonders bei Menschen mit Migrationshintergrund führen Barrieren in der Inanspruchnahme zu einer geringeren Nutzung verschiedener Versorgungsangebote (Frank et al. 2017).
Ursachen für die geringere Nutzung von Gesundheitsangeboten sind multifaktoriell, doch die Hauptursache liegt in der mangelnden Diversitätssensibilität der Strukturen und Angebote des Gesundheitssystems, denn die Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung wird durch die Zugänglichkeit und Annehmbarkeit der Angebote sowie deren Ausgestaltung beeinflusst. Hier kommen ungelöste Sprachhürden, fehlende Gesundheitsinformationen sowie fehlende Aufklärung in verschiedenen Sprachen zum Tragen. Auch fehlende mehrsprachige Therapie- und Behandlungs-angebote und ein Defizit an Kultursensibilität auf der Ebene des Gesundheitspersonals spielen eine zentrale Rolle (Bermejo et al. 2012).
Die sprachlich homogenen Versorgungsstrukturen und die daraus entstehenden Kommunikationsbarrieren werden von Bartig et al. treffend als institutionelles Diskriminierungsrisiko bezeichnet (2021:23)
Der international vergleichende Migrant Integration Policy Index-MIPEX (2017) kritisiert, dass Deutschland in Bezug auf Asylbewerber:innen und irreguläre Migrant:innen zu den Ländern mit den stärksten Einschränkungen zählt. Zwei Jahre zuvor wies der MIPEX bereits darauf hin, dass in Deutschland ein hoher Handlungsbedarf im Hinblick auf den diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung besteht und die aktuelle Situation den geltenden EU- und Menschenrechtsstandards widerspricht
Die erwähnten Studien und Berichte zeigen, dass verschiedene Nutzer:innen-Gruppen im deutschen Gesundheitssystem strukturell diskriminiert werden. Aber auch interpersonale Diskriminierung und Rassismus im Verhalten, in persönlichen Entscheidungen bezüglich des Umgangs mit und bei der Behandlung von Patient:innen und in der Kommunikation von Akteur:innen des Gesundheitssystems gegenüber Nutzer:innen und Patient:innen mit Migrations- bzw. Fluchtgeschichte und BIPoC wirken sich negativ auf die Qualität und Inanspruchnahme der Gesundheits-versorgung aus. Ein internationales Literaturreview verdeutlicht, dass neben Sprach- und Kommunikationsbarrieren für Immigrant:innen und ethnische Minderheiten weitere potenzielle Barrieren zur Gesundheitsversorgung wirksam werden, die auf Einstellungen und Verhaltensweisen des Gesundheitspersonals zurückzuführen sind, welche u.a. Stereotype und Vorurteile, Verzerrungen, kulturelle Missverständnisse, exklusive Praktiken sowie Widerstände bei der Versorgung irregulärer Immigrant:innen umfassen (Drewniak et al. 2017).
Eine weitere Studie hat sich mit institutionalisierten rassistischen Strukturen und Verhaltensweisen von Gesundheitspersonal in Schweden, Deutschland und Portugal auseinandergesetzt und eine theoretische Konzeptualisierung zur Identifizierung von subtilem Rassismus in den Routinen und Strukturen in der Gesundheitsversorgung entwickelt (Hamed et al. 2020).
Die Ergebnisse dieser Studien bieten wertvolle Ansatzpunkte für die Maßnahmen, Instrumente und Inhalte, die wir im Rahmen des Projekts im Ziel 1 (Veränderung von Strukturen in der Gesundheitsversorgung) und Ziel 2 (Entwicklung von Diversitätskompetenzen und Haltungen des Gesundheitspersonals) entwickeln wollen.
Quellen
- Bartig, S, Kalkum D, Le, Ha Mi, Lewicki A. (2021): Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen – Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung. Anti-diskriminierungsstelle des Bundes (Herausgeberin)
- BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2021): Lebenslagen in Deutschland. Der Sechte Ar-muts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Startseite/start.html (Zugriff 23.08.2021)
- Bermejo, I./Hölzel, L./Kriston, L./Härter, M. (2012): „Subjektiv erlebte Barrieren von Personen mit Migra-tionshintergrund bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsmaßnahmen“. Bundesgesundheitsblatt 2012(55)
- Drewniak D, Krones T, Wild V (2017): „Do attitudes and behavior of health care professionals exacerbate health care disparities among immigrant and ethnic minoritiy groups? An integrative literature review.“ Int J Nurs Stud. 70
- Frank, L, Rommel, A, Lampert, T (2017): „Die gesundheitliche Situation von Menschen mit Migrations-hintergrund in Deutschland.“ WIdO-GGW Jg. 17, Heft 2
- Hamed S, Thapar-Björkert S, Bradby H, Ahlberg BM (2020): Racism in European Health Care: Structural Violence and Beyond. Qualitative Health Research 30 (11)
- Knipper, M., Razum, O., Borde, T., Brenne, S., Kluge, U., Markus, I. (2017) Migrant Integration Policy In-dex Health Strand. Country Report Germany. 2017, International Organization for Migration. equi-health.eea.iom.int/images/MIPEX/GERMANY_MIPEX_Health.pdf 
- Lampert T, Kroll LE (2010): „Armut und Gesundheit“. Hrsg. Robert Koch-Institut Berlin. GBE kompakt 5/2010
- Lewicki, A. (2021): „Gesundheit“. In: Merx A, Lewicki A, Schlenzka N, Vogel K: Diskriminierungsrisiken und Handlungspotenziale im Umgang mit kultureller, sozioökonomischer und religiöser Diversität. Ein Gutachten mit Empfehlungen für die Praxis. Stiftung Mercator, Essen
- MIPEX – Migrant Integration Policy Index (2020) www.mipex.eu/health (Zugriff 23.08.2021)
Team
Direktor der Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie Charité Campus Virchow-Klinikum / Projektleiter







Auftaktveranstaltung | Empowerment für Diversität | 16.03.2023
Das Projekt wird gefördert durch
